«Roundtable nachgefragt» vertieft aufschlussreiche, inspirierende, überraschende oder kritische Aspekte. Das letzte Wort zum Roundtable vom September gehört Dirk Holzmann, Experte BIM-Solutions Drees & Sommer Stuttgart
BIM & Lean: Schwarzes (Planungs-)Loch oder zukunftsfähiges Rezept?
Lean Construction und BIM werden oft als zwei getrennte Themen betrachtet. Wie war bei Ihrem Projekt in Stuttgart der Umgang mit (vermeintlichen) Zielkonflikten – bspw. Agilität vs. hohe Informationsdichte – damit die Planung zu einer Einheit werden konnte?
Da gebe ich Ihnen komplett recht. Leider ist es so, dass die beiden Methoden aktuell noch sehr häufig komplett voneinander losgelöst betrachtet werden. Das war auch in diesem Projekt eine grosse Herausforderung, die wir glücklicher Weise meistern konnten. Ich denke, der Schlüssel zum Erfolg sind zwei Dinge. Erstens die Offenheit dem Thema gegenüber. Man darf natürlich skeptisch sein, aber sollte sich generell darauf einlassen. Und zweitens das gemeinsame Verständnis. Es ist extrem wichtig, dass man dem Gegenüber zuhört und versucht zu verstehen, warum bestimmte Dinge von bestimmten Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt notwendig sind. Im Idealfall überreisst man dabei bereits die Zusammenhänge und möglichen Konsequenzen und berücksichtigt diese nicht nur bei der Strategie, sondern auch bei der späteren Umsetzung. Was die Integration der Planung anbelangt: Hier hatten wir bei der OWP 12 sicherlich eine Sondersituation, da wir erst zum Ende der Leistungsphase 5 gesagt haben, dass wir BIM und LEAN kombinieren wollen. Dies hatte auch zur Folge, dass wir extrem viel Überzeugungsarbeit leisten mussten/durften, da die Planung im Grunde genommen abgeschlossen war. Unser Fokus war sicherlich, die Daten von der Baustelle zu übertragen und modellbasiert zu betrachten, was uns zwar gelungen ist, aber wo es sicherlich noch einiges an Optimierungspotential gibt.
Wie kann der «Faktor Mensch» bei den eher technischen und prozesslastigen Themen wie Lean und BIM besser abgeholt werden?
Der «Faktor Mensch» ist extrem wichtig, denn ohne den Menschen und dessen Verständnis funktioniert das Ganze nicht. Dem Menschen muss immer wieder klar gemacht werden, dass es sich um keine technische Spielerei handelt, sondern er selbst davon profitiert und mindestens einen Mehrwert generieren kann, der nicht zu unterschätzen ist, ein besseres Verständnis. Das gilt sowohl für den tatsächlichen Status Quo des Projektes, aber eben auch für die Prozessabläufe. Und damit verbunden die Abhängigkeiten zwischen den Tätigkeiten der Gewerke und die evtl. entstehenden Konsequenzen, wenn einer dieser Schritte nicht so durchgeführt werden kann. Durch die modellbasierte Betrachtung der Prozesse ergibt sich ganz automatisch ein besseres Verständnis.
Welche drei (Haupt-)Effekte konnten Sie aufgrund des kombinierten Planungsprozesses Lean und BIM bei Ihrem Projekt in Bezug auf Qualität, Zeit und Geld feststellen?
Hinsichtlich der Qualität gab es extreme Vorteile, weil diese «Blackbox BIM», vor allem in Kombination mit LEAN, auch oder gerade gegenüber dem AG, aufgelöst werden konnte. Der Bauherr hat nicht nur immer wieder von dem Begriff «Transparenz» gehört, sondern konnte diese auch selbst wahrnehmen. Auf Seiten der Ausführung war es möglich, vorkonfigurierte Darstellungen zu erstellen, die dem Betrachter etwas Wesentliches ermöglichen, nämlich die für ihn/sie notwendige Information an einer zentralen Stelle zu finden und, auf Grund der gegebenen Intelligenz, auch zu filtern. Eine Zeitersparnis konnten wir ebenfalls erzielen, da wir uns diverse Redundanzen ersparen konnten. Mit Hilfe der Kombination aus beiden Methoden war es uns möglich, agil und flexibel auf Änderungen in der LEAN-Planung einzugehen. Wir mussten das Modell nicht physisch anpassen, bestimmte Bauteile in den angepassten Taktbereichen neu modellieren und später manuell mit neuen LEAN-Informationen füttern, sondern konnten das an einer Stelle anpassen und den Rest direkt aus LCM Digital synchronisieren. Im puncto Geld tue ich mich etwas schwerer. Durch die Vermeidung von Redundanzen und das frühzeitige Auffinden von möglichen Kostentreibern liess sich bestimmt auch Geld einsparen, aber da es sich um ein Pilotprojekt handelt, mussten wir auch deutlich mehr investieren. Hinzu kommt die Tatsache, dass wir mit der Implementierung eben erst am Ende der Ausführungsplanung begonnen haben. Wären wir früher im Boot gewesen, hätten wir sicherlich einen grösseren Hebel gehabt, auch im Hinblick auf die Kosten.
Zurück zum Titel Ihrer Veranstaltung «BIM & Lean: Schwarzes (Planungs-)Loch oder zukunftsfähiges Rezept?». Wie beantworten Sie diese Frage und was empfehlen Sie einem Investor, der in dieser Sache erste Gehversuche starten will?
Für mich ist es ganz klar die Zukunft und ich bin sehr motiviert, dieses Prinzip und die möglichen Synergien in der Kombination von BIM und LEAN in die Gegenwart zu überführen. Ich sehe dort nach wie vor extrem viel Potential. Und dadurch, dass wir das bei immer mehr Projekten in die Tat umsetzen dürfen, gibt es auch Referenzen, die das eindeutig belegen. Zwischen den beiden Methoden gibt es extrem viele Parallelen und es macht schlichtweg maximal Sinn, sie miteinander zu vereinen. Alles mit dem Ziel, Risiken und Redundanzen zu vermeiden oder zumindest auf ein Minimum zu reduzieren. Den potentiellen Auftraggebern würde ich raten, dass sie sich darauf einlassen. Das ist der erste und wichtigste Schritt. Viele sind schon in LEAN und/oder BIM unterwegs, aber es wird entweder beides komplett voneinander losgelöst betrachtet oder aber mit sehr hohem manuellen Aufwand betrieben. Da gibt es heutzutage elegantere und effektivere Wege und Tools, die einen darin unterstützen. Die grösste Sorge des Bauherrn ist ja in der Regel der Preis, aber die Investition amortisiert sich sehr schnell und von Seiten der Planung ist es kein Mehraufwand, vor allem nicht, wenn die LEAN-Methodik ohnehin gesetzt ist. Es geht «nur» um den Einsatz von anderen innovativen und schlichtweg zeitgemässen Werkzeugen.
Dirk Holzmann, herzlichen Dank!
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