top of page

Kollaborative Zusammenarbeit: Stärken und Herausforderungen

stefankuehn

von Stefan Kühn

Während jede Form der Teamarbeit Qualität und Geschwindigkeit positiv beeinflusst, kann insbesondere die kollaborative Zusammenarbeit die Gesamtproduktivität in einem Big-Room steigern. Wer die umfangreichen Potentiale von Lean Construction für sich nutzen will, sollte auch die damit verbundenen Hürden kennen. Neu kommen Erkenntnisse hinzu, die während des Covid-19 Lockdowns gewonnen wurden. Eine Zeit, in der die klassischen Vorteile eines physischen Big-Rooms nicht mehr genutzt werden konnten.

Kollaboratives Zusammenarbeiten im Big Room von Lean Constrution

Was versteht man unter kollaborativer Zusammenarbeit?

Im Wesentlichen handelt es sich bei der kollaborativen Zusammenarbeit um organisierte Teamarbeit: Es werden Prozesse in Gang gesetzt, die sicherstellen, dass die Teammitglieder bei der Entscheidungsfindung zusammenarbeiten. Verschiedene Werkzeuge fördern die offene Kommunikation zwischen Teammitgliedern, verschiedenen Gewerken und weiteren Stakeholdern. Dank dem Abbau gewohnter Hierarchien (Bauherr, Architekt, Planer, Ersteller usw.) und dem frühzeitigen hinzuziehen von allen notwendigen Gewerken und Fachspezialis-ten, formt sich im Big-Room ein Team, das sich aufeinander kalibriert, komplementäres Wissen und unterschiedlichen Stärken erkennt sowie nutzt und dadurch einen wesentlichen Mehrwert für das gesamte Projekt generiert.


Was bringt das kollaborative Zusammenarbeiten?

Das übergreifende Ziel der Zusammenarbeit in einem Big-Room ist die Steigerung des Projekterfolgs. Der «Erfolg» auf hoher Ebene lässt sich in mehrere kleine, gleichermassen bedeutsame Vorteile unterteilen, die den Arbeitsablauf, die Teambeziehungen, die Produktivität und die Effizienz verbessern. Die wichtigsten Vorteile, die durch die Zusammenarbeit in einem Big-Room erzielt werden können, sind:

  • Schneller fortschreitende Innovation: Die vielfältigen Fachkenntnisse und Standpunkte des Teams machen die Problemlösung einfacher und schneller. Wenn alle gleichermassen über Projektfortschritte, neue Möglichkeiten und bevorstehende Herausforderungen auf dem Laufenden sind, wird der Dialog nicht nur angeregt, sondern so fokussiert, dass die Entwicklung und Umsetzung von neuen Lösungen beschleunigt wird.

  • Qualifizierung der Gewerke: Bei der Zusammenarbeit und dem gleichberechtigten Austausch lernen die Vertreter der verschiedenen Gewerke voneinander. Ihre Talente und Stärken werden gebündelt, ihre Fähigkeiten erweitert und ihr Lean Construction Wissen gefestigt. Da die Zusammenarbeit der verschiedenen Fach-gruppen (z.B. Clustergruppen) zur Zielerreichung den Input anderer Clustergruppen benötigt, werden Themen und gewerkübergreifende Beziehungen gefördert und Barrieren sowie Berührungsängste abgebaut. Risikobehaftete Schnittstellen, die bis anhin der Bauherr zu tragen hatte, können dadurch reduziert werden.

  • Erhöhte Zufriedenheit der Leistungsträger: Eine wertschätzende, gleichberechtigte Zusammenarbeit schafft eine Umgebung, in der sich Mitglieder eines Big-Rooms für ihre Fähigkeiten wie auch für ihren Beitrag geschätzt fühlen. Diese Zufriedenheit wirkt sich nicht nur positiv auf die Effizienz, sondern auch auf eine maximale Identifikation mit dem Projekt und dem Projektziel aus.

  • Grossbild-Ansicht: Die Zusammenarbeit mit anderen ermöglicht es Big-Room-Mitgliedern noch besser Verbindungen zwischen den verschiedenen Gewerken zu erkennen. Dadurch fühlen sich Leistungsträger nicht in ein Silo gesteckt, sondern verstehen, dass sich ihre Arbeit auf ein grösseres Ziel, als nur auf das ihrer eigenen Leistungserbringung, bezieht.

  • Mehr zufriedene Nutzer: Wenn Vertreter der verschiedenen Gewerke einen grösseren und schnelleren Zugang zu Informationen haben, gemeinsam Innovationen entwickeln, Schnittstellen abbauen und dadurch das Projekt effizienter und werthaltiger realisieren können, profitieren die Nutzer von einer höheren Qualität und tieferen Kosten.


Herausforderungen der kollaborativen Zusammenarbeit

Trotz der vielen Vorteile kann die Einführung der kollaborativen Arbeitsweise schwierig sein. Herausforderungen, die bei der Einführung von Kooperationspraktiken auftreten, sowie mögliche Wege zu deren Bewältigung sind (nicht abschliessend):

  • Traditionelle Strukturen: Die gewünschte Zusammenarbeit nach Lean Construction steht oft im Widerspruch zu der sehr traditionellen Zusammenarbeitsform in der Bau- und Immobilienindustrie. Starre Hierarchien, sequenzielle Arbeitsprozesse, ungenügende, bis hin zu nicht gemanagten Schnittstellen und isoliertes Handeln, haben sich derart gefestigt, dass es Leistungsträgern ohne Lean Construction Erfahrung schwerfällt, alte Muster abzulegen. Weg von einer strengen Arbeitsteilung oder dem autoritären Auftritt von Bauherren und/oder Architekten ist nicht einfach. Es fällt den Planern und weiteren Stakeholder oftmals schwer, sich im Interesse des Gesamtprojektziels auch mal aktiv gegen die vermeintlichen Interessen eines Architekten zu stellen, während es dem Architekten schwerfallen mag, sich von einem Planer (vermeintlich) in seine Arbeit pfuschen zu lassen. So können sich Big-Room-Mitglieder zu Beginn des Projekts mit dieser neuen Zusammenarbeitsform so schwertun, dass zusätzliche Schulungen, klare Spielregeln oder gar der Austausch einer Partei notwendig sein können.

  • Komplexere Entscheidungsfindung: Je mehr Menschen beteiligt sind, desto komplizierter kann die Entscheidungsfindung werden. Anforderungen an Entscheidungsgrundlagen, an Entscheidungsprozesse sowie Eigen- und Teamverantwortung helfen ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und stellen sicher, dass die «heisse Kartoffel» nicht von einer Hand zur nächsten gereicht wird. Zu guter Letzt ist auch in einem kollaborativen Arbeitsprozess eine starke Führung gefordert, damit eine klare, kohärente Richtung beibehaltet werden kann.

  • Langsame Kosteneinsparungen: Obwohl Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerung ein beworbener Vorteil der kollaborativen Zusammenarbeit in einem Big-Room sind, wäre es unklug zu erwarten, dass der Bauherr von heute auf morgen in den Genuss finanzieller Vorteile kommt. Geduld und Hartnäckigkeit sind gefordert, erst dann wird der wirkliche Mehrwert erkenn- und realisierbar. Man sollte ausserdem nicht davon ausgehen, dass diese neue Form der Zusammenarbeit alle traditionellen Probleme auf einmal lösen wird. Der Einsatz von Scrum-Prozessen, straffen Projektskizzen und Terminplänen kann helfen das Team an die Ziele und Fristen zu erinnern, und sorgt im Weiteren dafür, dass sich die Leistungsträger nicht in der Entscheidungsfindung verzetteln.


Werkzeuge für den virtuellen Big-Room

Ob man im digitalen Zeitalter angekommen ist, zeigt sich nicht nur beim gekonnten Einsatz oder eben Nicht-Einsatz von BIM sondern auch in der Fähigkeit, mit digitalen Instrumenten und Medien wirksam umgehen zu können. Der Covid-19 Lockdown hat nun viele Leistungsträger in jene Zukunft gebracht, in der man glaubte, schon längst angekommen zu sein.


Big-Rooms wurden geschlossen und mit «working from home» Leistungsträgern in digitale Arbeitsräume verlegt. Ob es besser war als zuvor? Vermutlich nicht. Dennoch haben neue Instrumente gezeigt, dass auch ausserhalb eines Big-Rooms kollaborativ zusammengearbeitet werden kann.

Hier ist eine Auswahl möglicher «Collaboration-Tools», mit denen zu starten es sich lohnt:

  • Dateifreigabe: Anstatt mehrere Versionen eines Dokuments zu erstellen und zu speichern, sollten Dateien Teammitgliedern so zugänglich gemacht werden, dass damit alle in Echtzeit zusammenarbeiten können. Werkzeuge mit mehreren Berechtigungsebenen (Viewer, Editor usw.), mit denen Dokumente auch ausserhalb der Big-Room Organisation freigegeben werden können, erlauben es auch externen Stakeholder sich einzubringen.

  • Datenraum: Zusammenarbeitstools, wie z.B. Microsoft MS-Teams machen es möglich, Daten gemeinsam zu verwalten, zu strukturieren und zu nutzen. Es muss nicht zwingend Microsofts MS-Team sein. Ähnliche Tools bieten ebenfalls Möglichkeiten für Gruppen- und Einzelchats, sowie Online-Meetings an. Um Installationsaufwände und Schulungen in Grenzen zu halten, macht es Sinn Plattformen zu wählen, die in vielen Firmen bereits im Einsatz sind. Bei der zentralen Datenablage sind verbindliche Spielregeln zwingend. Das Wählen sinnvoller Dateinamen und Festlegen von logischen Speicherorten sind nur einzelne Punkte, die zu vereinheitlichen sind, damit kein Datenchaos entsteht und relevante Informationen nicht mehr auffindbar werden.

  • Videokonferenzen: Wie bei üblichen Meetings sollten auch Online-Treffen durch einen Sitzungsleiter oder Moderator geführt werden. Klar, 1:1 Meetings sind nach wie vor besser als sich nur digital zu treffen. Sollte dies aus Distanzgründen oder einem Ausnahmezustand wie Covid-19 nicht möglich sein, hat man zur zweitbesten Lösung zu greifen.


Erkenntnisse für einfache und angenehme Online-Treffen

  • Die Aufmerksamkeitsspanne leidet massiv, wenn die die Teilnehmeranzahl zu gross ist. Bis fünf wäre ideal, mehr als zehn sollten es nicht sein. Falls dies nicht möglich sein sollte, sind Untergruppen zu definieren.

  • Auf das Zeitmanagement achten. Online-Meetings sollten nicht länger als eine Stunde dauern. Ansonsten sind Pausen von mindestens 15’ einzulegen. Noch besser wäre ein Aufteilen der Thematik.

  • Teilnehmer, die gerade nicht am Sprechen sind, sollten ihr Mikrofon auf stumm schalten. Das hilft unnötige Nebengeräusche in den Griff zu bekommen.

  • Es stärkt das Zusammenarbeitsgefühl, wenn die Kameras eingeschaltet bleiben. Bei mehr als fünf Teilnehmern sollte dies so oder so der Fall sein. Wenn der Sichtkontakt fehlt ist das Risiko gross, dass sich einzelne Teilnehmer «verabschieden» und anderweitig beschäftigen.

  • Punkte zusammenzufassen hilft, nicht nur um die Teilnehmer bei der Stange zu halten, sondern auch um ein gemeinsames Verständnis sicherzustellen.

  • Matchentscheidende Meetings sollten wenn immer möglich 1:1 stattfinden.

67 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page